Um die Südostwand aus sägerauen Brettern an unserer neuen Wachtelvoliere vor Witterung zu schützen und optisch etwas aufzuwerten, habe ich sie mit einem Anstrich aus Leinölfarbe versehen. Schließlich soll alles hübsch aussehen, wenn demnächst zehn jungen Wachteln bei uns einziehen. Da Wachteln windempfindlich sind, haben wir ihre Voliere auf einer Seite mit sägerauen Brettern geschlossen. Auf einer weiteren Seite stehen außen zwei Palettenregale für Pflanzen und auf der dritten Seite sorgt ein Scheitholzstapel für Windschutz. Die vierte Seite der Voliere bleibt offen. Über den Wachtelstall und unsere neuen Mitbewohner erzähle ich euch → hier mehr. In dem Post heute möchte ich euch zeigen, wie man sägeraue Bretter mit einem Einmalanstrich aus Leinölfarbe schützen kann.
Warum überhaupt Leinölfarbe?
Kennt ihr das auch? Eine Gartenbank, ein Holzzaun oder die Balkonbretter sollen gestrichen werden, aber noch bevor es darum geht, welcher Farbton am besten gefällt, muss entschieden werden, welche Art von Farbe es sein soll. Und das ist gar nicht so einfach.
Als es bei uns darum ging, mit welchen Farben wir die Balken unseres → Fachwerkhauses streichen sollen, stand auch ich vor genau diesem Problem. Ich habe mich gefragt: Welche Farbe ist bitteschön langlebig, umweltfreundlich und pflegeleicht? Bei meinen Nachforschungen bin ich glücklicherweise relativ schnell auf Leinölfarben gestoßen. Und seither bin ich eine begeisterte Leinölfarbenstreicherin. Warum das so ist, erzähle ich euch heute.
Bis in die 1950er Jahre verwendete man in Europa hauptsächlich Leinölfarben. Allein die Tatsache, dass es sich dabei um traditionelle Farben handelt, war für mich schon ein gutes Argument, diese für ein altes Fachwerkhaus zu verwenden, stammt das Haus ja selbst aus der Leinölfarbenzeit. Doch es ist bei weitem nicht der einzige Grund, heute noch (oder wieder) mit Leinölfarben zu streichen. Deshalb habe ich die Farbe mittlerweile für die verschiedensten Anstriche im Innen- und Außenbereich verwendet. So wie jetzt bei unserem Wachtelstall.
Sechs gute Gründe für die Verwendung von Leinölfarben
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Leinölfarben sind diffusionsoffen
Mit Leinölfarbe gestrichenes Holz ist nicht hinter einer geschlossenen Farbschicht versteckt. Sie lässt zwar Wasser durch, aber es kommt eben auch wieder raus. Sollte mit Leinöl gestrichenes Holz schadhaft werden (was aufgrund der hervorragenden Schutzeigenschaften der Farbe kaum vorkommt), so sind die Schäden sofort sichtbar. Ganz anders bei Farbsystemen, die wie eine geschlossene Schicht über dem Holz liegen – dringt hier nämlich Wasser ein (weil die Farbe z.B. einen Riss bekommen hat), kommt es kaum wieder heraus und richtet – für den Betrachter hinter der Farbe völlig unsichtbar – bisweilen schlimme Schäden an. Auch Feuchtigkeit, die von innen kommt, kann durch das mit Leinölfarbe gestrichene Holz herausdiffundieren.
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Leinöl hat eine geringere Oberflächenspannung als Wasser
Deshalb dringt Leinöl tiefer ins Holz ein als es Wasser kann. Ist das Holz also mit einem Anstrich aus Leinölfarbe versehen, ist es überall dort geschützt, wo Wasser hinkommen kann. Ein bisschen wie bei Hase und Igel: Kommt das Wasser, ruft das Leinöl: „Bin schon da!“
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Leinölfarbe ist äußerst ergiebig
Wenn man nur die Literpreise verschiedener Farbsysteme miteinander vergleicht, mögen Leinölfarben teuer erscheinen. Ganz anders sieht es aus, wenn man die Preise pro gestrichenen Quadratmeter vergleicht. Bei unserem Wachtelstall habe ich einen Einmalanstrich auf sägerauem Holz gemacht. In diesem Fall reicht ein Liter Leinölfarbe für 5- 7 qm. Auf gehobeltem Holz kann man mit einem Liter bis zu 15 qm und mehr streichen, auf Metall sogar bis zu 20 qm.
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Leinölfarben – zumindest die guten – verwenden nur anorganische Pigmente
Anorganische Pigmente bestehen hauptsächlich aus Metallverbindungen und Mineralen. Sie sind in der Regel licht- und luftechter als organische (aus Kohlenwasserstoffen), sodass Leinölfarben sehr farbintensiv sind. Natürlich wurden die früher üblichen farbstarken, aber umweltschädlichen Chrom-, Kadmium oder Bleipigmente mittlerweile durch umweltfreundliche anorganische Verbindungen ersetzt
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Leinölfarbe blättert nicht ab, sondern kreidet
Einer der größten Vorteile von Leinölfarbe ist, dass sie nicht abblättert. Wenn ein Anstrich aus Leinölfarbe altert, wird er zuerst immer matter. Das Leinöl verschwindet, die Pigmente bleiben da. Irgendwann ist der Prozess so weit fortgeschritten, dass die Farbe anfängt zu kreiden. Wenn ihr mit der Hand drüberfahrt, habt ihr Pigmente an den Fingern, ähnlich wie bei Tafelkreide. Jetzt ist es an der Zeit, die Farbe aufzufrischen. Das macht man ganz einfach, indem man mit purem Leinöl (ohne Pigment) drüberstreicht. Die Pigmente sind dann wieder fixiert und die Farbe des Anstrichs leuchtet wieder wie neu. Erst etwa im dritten Auffrischungszyklus könnt ihr dann auch wieder Pigment zufügen – also nicht nur mit Leinöl nachstreichen, sondern mit Leinölfarbe im entsprechenden Farbton.
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Leinölfarbe enthält keine umweltschädlichen Lösungsmittel
Leinöl ist schon flüssig, sodass (im Gegensatz z.B. von Alkydbindemitteln) keine Lösungsmittel nötig sind, um es streichfähig zu machen. Das heißt: Gute Leinölfarbe besteht aus Leinöl und Pigment, eventuell wird ein minimaler Anteil Trocknungssalze beigemischt. Fertig. Fast wie beim Reinheitsgebot der Biere.
Aus all‘ diesen Gründen streiche ich mittlerweile seit über fünfzehn Jahren nur noch mit Leinölfarbe, egal ob drin oder draußen, ob auf gehobelten Brettern, sägerauem Holz oder auf Metall (z.B. Fensterladenbeschläge, Zaunpfosten…). Und heute zeige ich euch wie gesagt, wie ihr sägeraue Bretter im Außenbereich einfach und schnell mit Leinölfarbe streichen könnt.
Klassisch besteht ein Anstrich aus Leinölfarbe aus drei Anstrichen. Da die sägerauen Bretter im Vergleich zu gehobeltem Holz aber eine viel größere Oberfläche haben, genügt bei ihnen ein einfacher Anstrich. Dazu wird die Leinölfarbe nicht pur verwendet, sondern zusätzlich rohes Leinöl und Balsamterpentin beigemischt.

Das braucht ihr:
- Leinölfarbe im Farbton eurer Wahl
- rohes Leinöl
- Balsamterpentin
(KEIN Terpentinersatz!) - einen guten Pinsel
(am besten Schweinsborste) - leeres Gefäß zum Mischen der Farbe
- Rührstab
- Meterstab
- wasserfester
- Stift
- alter Lappen
- Öffner für Farbdose / Schraubenzieher
Vorab ein Wort zum Balsamterpentin
Bitte keinen Terpentinersatz verwenden, das ist ein Erdöldestillat und eignet sich nicht. Balsamterpentin ist ein Destillat aus Nadelbaumharzen. Es erleichtert das Streichen, sorgt dafür, dass das Leinöl gut ins Holz einzieht und verringert die Trocknungszeit etwas. Wenn ihr nicht im Freien streicht, dann sorgt für einen gut belüfteten Arbeitsraum.
Ein guter Pinsel ist schon die halbe Miete
Streicht die Farbe mit einem guten Schweinsborstenpinsel. Dieser hält die Farbe zwischen den Borsten und gibt sie nur langsam wieder ab, damit ihr sie gut verteilen können. Schlechte Pinsel „spucken“ die Farbe auf einmal aus und ihr habt Schwierigkeiten, sie ordentlich zu verteilen – denkt daran, die Farbe hat eine große Reichweite, ihr braucht also nur eine geringe Menge an einem Fleck. Ergo müsst ihr sie gut verteilen können, was nur mit einem ordentlichen Pinsel geht.

Außerdem sind die Borsten bei einem guten Pinsel so fest, dass sie nicht beim kleinsten Druck auf den Untergrund abknicken. Das ist wichtig, weil ihr die Farbe mit sanftem Druck ins Holz „einmassieren“ solltet. Nur mit einem guten Pinsel erzielt ihr auch gute Streichergebnisse, nämlich eine gleichmäßig verteilte, dünne und gut ins Holz eingearbeitete Farbschicht. Und nur mit einem guten Pinsel macht das Streichen auch wirklich Spaß. Probiert es aus!
So geht ihr vor
Für einen Einmalanstrich mischt ihr
- 40 % rohes Leinöl
- 10 % Balsamterpentin
- 50 % Leinölfarbe.
Nehmt euer leeres Gefäß und zeichnet mit Hilfe eines Meterstabs entsprechende Messstriche an. Oder zeichnet die Messstriche auf den Rührstab und stellt diesen senkrecht in euer Gefäß. Achtet darauf, dass ihr die Farbe zuletzt zugebt. Sie ist so schwer, dass sie ohnehin nach unten absinkt. Wenn ihr sie zuerst einfüllt, habt ihr beim Umrühren mehr Arbeit.

Dann mischt ihr die drei Komponenten gut miteinander. Rührt länger, als ihr es für nötig erachtet. Von Gunnar Ottosson, Hersteller der Ottosson Leinölfarbe, stammt das Zitat: „Rühre, bis du denkst du bist fertig, und dann nochmal fünf Minuten.“ Rührt die Farbe auch während dem Streichen immer mal wieder auf, da sich die Pigmente sonst langsam, aber sicher nach unten absetzen.
Jetzt könnt ihr mit dem Streichen loslegen. Am besten verarbeitet man die Farbe bei Temperaturen zwischen 15 und 25 °C. Legt euch für alle Fälle einen alten Lappen bereit, den kann man immer mal brauchen. Bei sägerauen Untergründen könnt ihr kreuz und quer streichen, damit die Farbe auf dem rauen Untergrund auch wirklich überall hinkommt. Die Farbe soll gleichmäßig dünn gestrichen werden, vermeidet „Nasen“ (herunterlaufende Farbtropfen).
Streicht nass in nass, d.h. überstreicht nicht eine bereits getrocknete Fläche noch einmal. Beendet euren Anstrich also am Feierabend nicht mittendrin, sondern wenn eine abgeschlossene Fläche fertig ist. Macht euch keinen Kopf, wenn ihr zwischendrin eine Pause macht, z.B. zum Essen oder weil ihr einen Schwatz mit dem Nachbarn haltet, weil er euren schönen neuen Anstrich bewundert :-). Leinölfarbe trocknet langsam und gerade bei sägerauem Holz passiert da gar nichts. Wenn ihr nach der Pause weiter streicht, achtet darauf, dass ihr nicht allzu große Überschneidungen habt, dann ist alles gut.
Nach dem Anstrich muss die Farbe trocknen. Das dauert – je nach Oberfläche und Witterung – drei bis fünf Tage.

Ist Leinölfarbe klebrig?
Immer mal wieder hört man, dass mit Leinöl(farbe) gestrichene Flächen wochen-, wenn nicht monatelang klebrig seien. Bleiben diese Flächen wirklich so lange klebrig?
Nein, jedenfalls gute Leinölfarbe (oder ein Anstrich mit hochwertigem purem Leinöl) trocknet zwar langsamer als die meisten anderen Farbsysteme, aber nach spätestens einer Woche (je nach Witterung) ist die Farbe trocken.
Allerdings:
Leinöl und Leinölfarben schlechter Qualität können über lange Zeit klebrig bleiben. So führen Verunreinigungen im Leinöl (wenn beispielsweise nicht nur Leinsamen, sondern auch Samen anderer Pflanzen mit ausgepresst wurden) oder ein zu starkes Auspressen der Samen zu Klebrigkeit und Qualitätsminderung. Achtet also darauf, dass ihr gutes Leinöl und hochwertige Leinölfarben verwendet.
Trick für den Transport gestrichener Bretter
Wenn ihr nicht am fertigen Objekt, sondern einzelne Bretter vorab streicht, dann müsst ihr sie nach dem Streichen beiseitestellen. Nehmt euch zum Anfassen der gestrichenen Bretter zwei Stücke grobes Schleifpapier (Körnung 40 bis 60). Dann hinterlasst ihr kaum Spuren auf dem gestrichenen Brett (sowieso nicht bei sägerauem Holz). Stellt die Bretter auf Hölzer (z.B. Dachlatten) und lehnt sie nicht direkt an die Wand, sondern legt ein kleines dünnes Holzplättchen (ca. 2 x 8 cm) dazwischen. Auf diese Weise könnt ihr auch mehrere Bretter hintereinander aufstellen: Brett – Hölzchen – Brett – Hölzchen – Brett usw.

Hier seht ihr ein paar meiner Holzplättchen und das Schleifpapier, das ich immer zum Anfassen gestrichener Bretter etc. verwende.

An der Wand aufgehölzelte Bretter.
Achtung! Mit Leinöl(farbe) getränkte Lappen sind selbstentzündlich
Lasst deshalb eure leinölgetränkten Lappen nicht herumliegen, sondern taucht sie in Wasser und entsorgt sie in einem verschlossenen Gefäß mit Deckel.

Die Wand unserer Wachtelvoliere ist mittlerweile gestrichen und ich finde, es ist mal wieder schön geworden. Solltet ihr in diesem Frühjahr und Sommer auch ein Streichprojekt haben, dann wünsche ich euch viel Spaß und Erfolg dabei!